Zum Hauptinhalt springen

Die Meisterjahre

1882: Max Eyth ist jetzt 46 Jahre alt. Er hatte sich in seinen Lehr- und Wanderjahren ein Vermögen von etwa 400.000 Mark erworben, das ihm damals 1882, erlaubte, sorglos seinen Neigungen zu leben, der Schriftstellerei, der Musik, dem Zeichnen und Malen. Aber es lag nicht in seiner Natur, zu rasten und sich zur Ruhe zu setzen. Er trug schon seit längerer Zeit den Plan mit sich herum, in Deutschland nach dem Vorbild der Royal Agricultural Society of England einen Reichsverein für landwirtschaftliche Ausstellungen zu gründen, der durch jährliche Wanderausstellungen alle Zweige der Landwirtschaft fördern und vor allem Maschinen und Geräte vorführen und dadurch zum Wettbewerb beitragen sollte. Er glaubte, daß in dem durch Bismarck 1871 neu geeinten Deutschen Kaiserreich das Gleiche wie in England nötig und möglich sei. In seinen letzten Monaten in Leeds schreibt er aus dem Journal der Royal Society das Wichtigste über Entstehung und Arbeitsweise dieser Gesellschaft und ihrer Ausstellungen ab. Über 300 handgeschriebene Blätter nimmt er mit nach Deutschland. Kurz vor seiner Abreise trifft er auf der Jahresausstellung 1882 im Juli in Reading bei London deutsche Besucher, Landwirte, Professoren und Fabrikanten, mit denen er seinen Plan erörtert. Diese raten ab, so etwas sei in Deutschland unmöglich. Eyth läßt sich nicht abschrecken, er zieht nach Bonn, wo er den Direktor der Landwirtschaftlichen Akademie, Professor Dunkelberg, kennt und auf dessen Unterstützung er rechnet. Nun beginnen seine Meisterjahre, wie Eyth sie selbst im 3. Band seines Buches "Im Strom der Zeit" nennt.

Und hier in Bonn versucht er ganz allein und auf seine eigenen Kosten die Gründung eines solchen Reichsvereins. (weiterlesen...)

1887

Nun muss Eyth nach Berlin ziehen, wo die Gesellschaft ihren Sitz hat. Er entwickelt Satzungen der DLG, die im wesentlichen noch heute gelten, und organisiert die großen Wanderausstellungen, für die es in Deutschland kein Vorbild gibt. Die erste findet 1887 in Frankfurt am Main statt, die ein großes finanzielles und organisatorisches Wagnis ist, das aber glänzend gelingt. Die Einnahmen decken die Kosten; Aufbau und Durchführung klappen. In seinem Buch Meisterjahre schildert uns Eyth anschaulich und mit oft sarkastischem Humor, wie er die nächsten Ausstellungen in Breslau Magdeburg, Straßburg, Bremen, Königsberg, München, Köln und Stuttgart vorbereitet und abwickelt.Die DLG wuchs sehr bald über das ihr von Eyth zugedachte Aufgabengebiet der Ausstellungen hinaus. Sie wurde zur wichtigsten Organisation für die Förderung des technischen Fortschrittes in der Landwirtschaft: Maschinenwesen, Düngung, Saatgutfragen, Sortenwahl, Tierzuchtfragen und manches andere hat sie angepackt und in uneigennütziger Arbeit so weit entwickelt oder angeregt, bis der Staat oder andere öffentlichen Institutionen durch gesetzliche Regelungen die Aufgaben übernahmen, wenn sie über die Vereinsarbeit hinausgewachsen waren. So ist die DLG wohl heute das älteste Testinstitut in Deutschland. Eyth führte auch bereits 1887 Gebrauchswertprüfungen landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte ein und begann gleichzeitig Qualitätsprüfungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die heute noch in großem Umfange vorgenommen werden.

1896

Zwölf Jahre bleibt Eyth in Berlin bei der DLG, er ist Direktor und Vorstandsmitglied, der eigentliche führende Kopf. Für die schnell wachsenden Aufgaben muß ein immer größerer Mitarbeiterstab angestellt werden, so dass bei seinem Abschied vom Berliner Büro 1896 bereits über 50 schwarzberockte Herren dastehen, wie er in seinem Tagebuch verwundert vermerkt. Die DLG steht auf festen Füßen und er will seine Freiheit von einer selbstgewählten Aufgabe wiedergewinnen. Mit 60 Jahren zieht er sich nach Ulm zurück, um in der Nähe seiner alten Mutter zu sein, die in Neu-Ulm lebt.

Auf dem Michelsberg 173 bezieht er eine geräumige Wohnung, die er seinen Athos nennt, und hier beginnt die dritte Schaffensperiode in seinem Leben, die der Schriftstellerei gewidmet ist und dem Ordnen seiner vielen Bilder, die in Kisten und Kasten herumstehen.

Eyth hat schon früh angefangen zu schreiben. Eine literarische Begabung ist ihm eigen. Seine Gedichte entsprechen der romantischen Lyrik der Zeit. Mit seiner Lehrzeit fließt auch die Technik in seine Gedichte ein, die sich mit Vorgängen der technischen Arbeitswelt, mit Maschinen und Fabriken beschäftigen. Man hat ihn darum Poet der Technik, Dichter der Lieder am Schraubstock genannt. Das ist wohl etwas zu hoch gegriffen, seine Lieder und Gedichte sind vielfach Gelegenheitsschöpfungen, weil er, mit einer poetischen Ader begabt, sich schreibend mit seinen Empfindungen und Erlebnissen auseinandersetzen muß. Das Schreiben hat ihn sein ganzes Leben begleitet, findet aber vor allem in seinen Briefen und in den Büchern seiner späten Jahre seine beste Form.

Der Schriftsteller und Maler

Sein erstes Buch erschien ohne sein Wissen. Sein Vater hatte die Briefe an die Eltern zu einem "Wanderbuch eines Ingenieurs" zusammengestellt und 1871 veröffentlicht. Wegen des unerwarteten Erfolges lassen dann Vater und Sohn noch im gleichen Jahr einen zweiten Band folgen. Bis 1884 erschienen dann bei Winter in Heidelberg noch weitere vier Bände des Wanderbuches. In der Hauptsache ist aber Eyth bis zu seinem Umzug nach Ulm mit technischen und ökonomischen Schriften beschäftigt, die von 1882 an vor allem auch der DLG und ihren Arbeiten gelten. Von den 67 größeren Veröffentlichungen Eyths hat nur etwa der fünfte Teil ausgeprägt literarischen Charakter, die meist erst in den Ulmer Jahren entstehen und seinen Ruf als Schriftsteller begründen.

 

Und nicht zu vergessen ist Eyth als Zeichner und Maler. Wir wissen aus seinen Tagebüchern, dass er viel Museen und Bildergalerien besucht und sich in Berlin alle Ausstellungen ansieht, auch bei dem Kunsthändler Gurlitt aus- und eingeht. Mit Max Liebermann, dessen Stern gerade aufleuchtet, kann er nicht recht etwas anfangen. Ihm liegen mehr die Maler der Romantik und Adolf Menzel, der Maler Friedrichs des Großen. Gelegentlich kauft er auch Bilder bei Gurlitt, aber am häufigsten sprechen seine Tagebücher von seinen eigenen Skizzen und Zeichnungen, mit denen er sich oft tagelang, meist zum Wochenende beschäftigt. Eyth ist gewiss kein großer Maler, aber ein anschaulicher Schilderer mit dem Zeichenstift, ein zeichnender Begleiter seiner Reisen und Erlebnisse, die oft seinen schwäbischen Humor durchblicken lassen. Zu seiner Zeit, als die Photographie noch in den Anfängen steckte, hätte er ebensogut ein tüchtiger Illustrator werden können.

Damit haben wir den Menschen Max Eyth umschrieben. Worin liegt seine Bedeutung? Er ist ein Maschinenbauer von praktischem Einschlag, der zwar keine weltbewegenden Erfindungen macht, aber viele Verbesserungen erdenkt, er ist der Pionier der Dampfpflugkultur in aller Welt, ein hervorragender technischer Kaufmann seiner Firma, er ist als Außenstehender sozusagen im Alleingang Gründer der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, die er selbst als sein Meisterwerk bezeichnet, und fördert damit die deutsche Agrarentwicklung in einer Weise, die heute noch lebendig ist. Er ist ein vielgelesener Schriftsteller, dessen Bücher hohe Auflagen erleben. Vor allem ist er ein Mann der Tat, der bei allen poetischen Träumereien seine Ziele unverrückbar verfolgt. Und der Erfolg lag in seiner Natur begründet, in seiner glücklichen Mischung von Realismus und Idealismus, in seiner Liebenswürdigkeit, seiner noblen Gesinnung, in der Klarheit seiner Argumentation und seiner Zähigkeit und Zielstrebigkeit, mit der er unverdrossen seine Ziele verfolgte. Und dass dabei die Musen und die Kunst nicht zu kurz kamen, haben wir gesehen. Max Eyth ist eine der vielseitigsten Begabungen, die seine neue Zeit, das Zeitalter der Technik, mit heraufführen und gestalten hilft.

Am Sonntag, dem 19. August 1906, notiert er in seiner letzten Eintragung im Tagebuch:

"Kirche. Kleiner Spaziergang. Ruhetag. Ordne Zeitungsabschnitte bezüglich meines Geburtstages alfabetisch."

Er hatte am 6. Mai seinen 70. Geburtstag gefeiert. Am 26. August 1906 ist seine Lebensreise beendet.

 

Dr. Rudolf Lais "Das war Max Eyth 1836 bis 1906"

(Der Kunstverein Ulm führte 1975 eine Ausstellung durch, in der Reiseaquarelle und Zeichnungen von Max Eyth gezeigt wurden. Aus diesem Anlaß hielt der ehemalige Hauptgeschäftsführer der DLG, Dr. Rudolf Lais, einen Vortrag.)