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Die Lehrjahre

Max Eyth wurde am 6. Mai 1836 in Kirchheim unter Teck geboren, wo sein Vater Lehrer an der Lateinschule war, der dann 1841 als Ephorus (Direktor) an das Evangelisch-Theologische Seminar nach Schönthal an der Jagst kam, wo Max Eyth in die Schule ging. Er schreibt darüber:

"Meine Kinderjahre verbrachte ich in Schönthal, einem kleinen Nestchen von wenigen Häusern in einem waldreichen Winkel an der Jagst, im weltabgeschiedensten Teil Württembergs. Mein Vater war daselbst als Professor tätig, sein Lieblings- und Berufsstudium Griechisch und Geschichte, und ich zunächst sein einziges nicht allzu hoffnungsvolles Söhnchen. Mein Großvater war Professor am Gymnasium in Heilbronn. Seine Spezialität war Lateinisch und Hebräisch Bei ihm durfte ich meine Ferien zubringen. Das war die Luft, in der ich aufwuchs."

Eyth sollte nach dem Willen der Eltern den Weg von Vater und Großvater beschreiten, wobei ihm die Wahl zwischen Theologie und Philologie freistand. Doch es kam anders. Ein Mathematiklehrer hatte bei ihm die Begeisterung für die nicht anzweifelbaren Wahrheiten der Mathematik geweckt und sein Vater ließ ihn mit 15 Jahren auf das Polytechnikum in Stuttgart ziehen.

"Obgleich Philologe von altem Schrot und Korn, war mein Vater ein ungewöhnlich verständiger Mann, dem ich das Beste verdanke, was der Mensch dem Menschen geben kann: meine Freiheit"

bemerkt Eyth dazu.

 

1860: Vier Jahre studierte er Maschinenbau auf dem Polytechnikum in Stuttgart. Dann folgt ein rechnerisches Praktikum in den Maschinenfabriken von Hahn Goebel in Heilbronn und Kuhn in Berg bei Stuttgart. Als Schlosserlehrling bei 13-stündigem Arbeitstag hat er von der Pike auf gedient und sich ein großes handwerkliches Können angeeignet. Bei Kuhn werden seine Fähigkeiten erkannt, über das Zeichenbüro wird er Ingenieur für Kesselbau. Kuhn schickt ihn 1860 auf die Weltausstellung nach Paris, um eine Gasmaschine von Lenoir zu studieren, die damals viel von sich reden machte und die man nachbauen wollte, was aber nicht gelang. Lassen wir Eyth selbst dazu sprechen:

"Wie gewonnen so zerronnen. Die Spionenfahrt nach Paris führte zu nichts Gutem. Das Triumpfgefühl, mit dem ich die Stadt des Lichtes und des Gases verlassen hatte, veranlaßte allerdings den Bau einer zweiten Maschine, die sich ähnlich wie die Lenoirsche betrug. Das ganze heute glänzend gelöste Problem lag jedoch noch zu sehr in den Windeln, um auf diesem Wege zum Ziele gelangen zu können, und erst später lernte ich als eine unumstößliche Wahrheit erkennen, daß man Erfindungen nicht macht, indem man um die Bude anderer herumschleicht."

Die beiden Reisen nach Paris hatten sein Fernweh geweckt und im Frühjahr 1861 gibt er seine Stellung bei Kuhn auf und begibt sich auf Reisen, um sich in der Industrie umzusehen und einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Von dieser Reise schreibt er an seine Eltern:

"Meine Pläne? Sie waren einfach genug: Hinaus, lernen und lernend schaffen, war mein erster und letzter Gedanke. Alles andere mußte sich finden. - Lag ja auch noch eine ganze Welt vor mir und nur erst die eigene Heimat hinter mir. Dabei schien der Horizont immer weiter zu werden; immer mehr zog mich jener unerklärliche Naturtrieb des Schwaben in die blaue Ferne. Auch wurde mir mit jedem Tag klarer, daß ich mich nicht auf einer Studienreise sondern auf meiner Lebensreise befand. Ein Umkehren aber gibt es bekanntlich auf Lebensreisen nicht."

 

1861: Zunächst sieht sich Eyth in der rheinisch-westfälischen Industrie um, dann in Belgien. Doch vergeblich klopft er überall an, er findet keine neue Arbeit. An seinem 25. Geburtstag setzt er von Antwerpen nach London über. England galt damals als das gelobte Land der industriellen Entwicklung. Von dort kam Anfang des 19. Jahrhunderts die Dampfmaschine nach Deutschland, die überall in den Fabriken und Werkstätten benötigt wurde. Eyth findet aber auch in London trotz seiner zahlreichen Empfehlungsschreiben keine Stellung. Aber hier bekommt er von einem Fabrikanten Tylor, an- den ihn die Königliche Zentralstelle für Handel und Gewerbe in Stuttgart empfohlen hatte, weitere Empfehlungsbriefe. Damit ausgerüstet gerät er im nordenglischen Revier im Sommer 1861 auf die Jahresausstellung der Royal Agricultural Society of England in Leeds.

"Mit wahrem Galgenhumor fragte ich mich, warum nicht den Bauern nachlaufen, wenn die Maschinenbauer nichts von mir wissen wollen? "

notiert er in seinem Tagebuch. Und hier trifft er Mr. Fowler, an den ihn Mr. Tylor aus London ebenfalls empfohlen hatte. Das wird die entscheidende Begegnung seiner Lebensreise. Fowler, der Erfinder des Dampfpfluges, richtete gerade in Leeds eine große Fabrik ein. Hier findet Eyth eine Anstellung, in der er über 21 Jahre bleiben sollte. Das Anstellungsschreiben ist noch erhalten. Es lautet:

"Lieber Herr Eyth,

mein Freund Tylor in London erinnert mich an Sie. Wenn Sie Lust haben, in meine soeben in Gang kommende Maschinenfabrik einzutreten, so finden Sie einen Schraubstock. Sobald sich Gelegenheit bietet, sollten Sie dampfpflügen lernen, wofür ich sorgen werde. Das Weitere muß sich finden. Ich glaube an die Zukunft der Sache. Für den Anfang biete ich Ihnen 30 Schilling die Woche. Damit können Sie leben, was Ihnen vorläufig genügen sollte.

Freundlich grüßend Ihr ergebener Fowler"

1863: Vom einfachen Maschinenarbeiter und Dampfpflüger entwickelt sich Max Eyth zum führenden Mitarbeiter und Erfinder in der Firma, deren wichtigster Repräsentant in aller Welt er bald wurde. Über 20 Patente an landwirtschaftlichen Maschinen erwirbt er sich in dieser Zeit in England. 1863 reist er nach Ägypten, weil die vielen Dampfpflüge, die Fowler an Halim Pascha, den Onkel des Vizekönigs, für seine Ländereien am Nil geliefert hatte, nicht recht funktionieren wollten. Es war gerade die Zeit des amerikanischen Sezessionskrieges, die die Baumwollausfuhr aus den Südstaaten zum Erliegen brachte und die Preise auf dem Weltmarkt in die Höhe trieb. Das bewog Halim Pascha zur Erweiterung seiner Baumwollkulturen am Niel, für die er den Dampfpflug brauchte. Drei Jahre bleibt Eyth in Ägypten als Chefingenieur bei Halim Pascha. Fowler stellt ihn dafür frei, nicht zu seinem Schaden, denn schon nach kurzer Zeit bestellt Eyth für 6.000 Pfund weitere Dampfpflüge. Aber als 1865 der Krieg in Amerika plötzlich zu Ende geht, sinken die Weltmarktpreise und der Baumwollboom ist zu Ende. Halim Pascha hat sich übernommen und seine Betriebe brechen 1866 zusammen. Eyth wird entlassen und von Fowler nun nach Amerika geschickt, wo nach Beendigung des Sezessionskrieges die Sklaverei aufgehoben ist und Arbeitermangel eintritt. Einen Ersatz konnten die Dampfpflüge bieten, für die er nun Pionierarbeit in den Vereinigten Staaten leisten sollte.

 

Quelle: Dr. Rudolf Lais "Das war Max Eyth 1836 bis 1906"

(Der Kunstverein Ulm führte 1975 eine Ausstellung durch, in der Reiseaquarelle und Zeichnungen von Max Eyth gezeigt wurden. Aus diesem Anlaß hielt der ehemalige Hauptgeschäftsführer der DLG, Dr. Rudolf Lais, einen Vortrag.)